Dimensionen der Nachhaltigkeit
Ernährung und ökologische Nachhaltigkeit
Die Art und Weise, wie wir unsere Nahrung produzieren und konsumieren, hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Umwelt. Das derzeitige globale Ernährungssystem belastet die planetaren Grenzen erheblich und führt zu vielfältigen Umweltproblemen. Intensive Landwirtschaft und Viehzucht verursachen Entwaldung und den Verlust von Biodiversität. Der übermäßige Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden stört zudem die natürlichen Kreisläufe von Nährstoffen wie Stickstoff und Phosphor. Diese Störungen führen zu Wasser- und Bodenverschmutzung und beeinträchtigen die Gesundheit der Ökosysteme.
Insbesondere trägt die Lebensmittelproduktion erheblich zum Klimawandel bei. Knapp ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen (29%) stammt aus dem Ernährungssystem, das den gesamten Lebenszyklus der Lebensmittelproduktion umfasst – vom Anbau über die Verarbeitung bis zur Entsorgung. Mehr als die Hälfte dieser Emissionen entstehen durch die Produktion tierischer Lebensmittel, obwohl diese weniger als 20 % der weltweit konsumierten Kalorien ausmachen. Der hohe Anteil an Emissionen ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Wiederkäuer wie Rinder Methan produzieren, ein Treibhausgas, das um ein Vielfaches schädlicher ist als CO₂.
Für die Produktion tierischer Lebensmittel sind zudem große Flächen für Weideland oder Futtermittelanbau notwendig, was zur Abholzung von Wäldern führt und CO₂ freisetzt. Diese Abholzung zerstört auch die Lebensräume von Wildtieren, wodurch über 70% der Wildtierbestände in den letzten 40 Jahren verschwunden sind. Besonders der europäische Konsum tierischer Produkte trägt zur Regenwaldrodung in Südamerika bei.
Ernährung und soziale Nachhaltigkeit
Eine nachhaltige Ernährung sollte soziale Gerechtigkeit fördern und sicherstellen, dass alle Menschen Zugang zu nahrhaften und gesunden Lebensmitteln haben. Dabei ist es essenziell, dass diese Lebensmittel auf faire und umweltfreundliche Weise produziert, gehandelt und konsumiert werden. Produkte, die unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt werden, tragen erheblich zur sozialen Gerechtigkeit bei. Zertifizierungen wie Fair Trade garantieren nicht nur gerechte Löhne und sichere Arbeitsbedingungen für Arbeiter:innen im Globalen Süden, sondern stärken auch langfristig die wirtschaftliche Stabilität dieser Länder.
Der Konsum von lokal produzierten Lebensmitteln spielt ebenfalls eine Schlüsselrolle. Lokale Produktion unterstützt die regionale Wirtschaft, stärkt die Beziehungen zwischen Produzent:innen und Konsument:innen und trägt durch reduzierte Transportwege zur Verringerung des CO₂-Ausstoßes bei. Gleichzeitig fördert die stärkere Nutzung regionaler Ressourcen die Unabhängigkeit von globalen Lieferketten und sorgt für eine krisenfestere Lebensmittelversorgung.
Darüber hinaus ist die Unterstützung der Kleinbäuer:innen und Landwirt:innen im Globalen Süden entscheidend im Kampf gegen Hunger, Ernährungsunsicherheit und Armut. Durch die Förderung lokaler Produktionskapazitäten und die Schaffung von Einkommensmöglichkeiten werden nicht nur Gemeinschaften gestärkt, sondern auch grundlegende Voraussetzungen für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung geschaffen. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, Armut zu reduzieren und den Zugang zu nahrhaften Lebensmitteln signifikant zu verbessern.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Bildung und Aufklärung über nachhaltige Ernährung, sowohl auf lokaler als auch globaler Ebene. Durch die Vermittlung von Wissen über umweltfreundliche Anbaumethoden, gesunde Ernährung und die Bedeutung fairer Handelsstrukturen können Menschen bewusster konsumieren und die Transformation hin zu einem nachhaltigeren Lebensmittelsystem aktiv unterstützen.
Ernährung und wirtschaftliche Nachhaltigkeit
Wirtschaftliche Nachhaltigkeit ist ein wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigen Ernährung. Sie stellt sicher, dass die Produktion und der Konsum von Lebensmitteln nicht nur ökologisch und sozial verträglich sind, sondern auch ökonomisch tragfähig. Dies bedeutet, dass Landwirt*innen und Produzent*innen fair entlohnt werden, lokale Wirtschaften gestärkt und Ressourcen effizient genutzt werden, um langfristig stabile und gerechte Ernährungssysteme zu schaffen.
Landwirt:innen können von nachhaltiger Landwirtschaft profitieren – in Deutschland, Europa und weltweit. Wenn Verbraucher:innen mehr lokale und regionale Produkte erwerben, können die Landwirt:innen ihre Produkte direkt auf lokalen Märkten verkaufen, was die Abhängigkeit von internationalen Märkten reduziert. In Deutschland oder anderen Ländern des Globalen Nordens können zudem höhere Preise für umweltfreundlich produzierte Lebensmittel erzielt werden. Entscheidend ist darüber hinaus, dass nachhaltige Landwirtschaft Landwirt:innen eine langfristige Existenzgrundlage sichert, da durch den Verzicht auf schädliche Pestizide und Düngemittel gesunde Böden und eine größere Biodiversität geschaffen werden. Dies wiederum führt dazu, dass sich die angebauten Produkte besser an klimatische Veränderungen anpassen können und so Ernteausfälle reduziert werden.
Die Synergiepotenziale sind immens. Durch effizientere und zielgerichtetere Düngung etwa lassen sich Kosten für Düngemittel einsparen, während die langfristige wirtschaftliche Tragfähigkeit aufgrund der besseren Bodenqualität wächst. Konzepte der effizienten Flächennutzung wie Agri-Photovoltaik, bei der Landwirtschaft mit der Erzeugung von Solarstrom kombiniert wird, oder Agroforstsysteme, die Forst- und Landwirtschaft verbinden, diversifizieren die Einkommensquellen und steigern die Flächeneffizienz bei gleichzeitiger Entlastung für die lokalen Ökosysteme.
Wirtschaftliche Nachhaltigkeit im Bereich Ernährung bedeutet auch, Abhängigkeiten durch Monopole in der Landwirtschaft wo möglich zu verringern – etwa im Bereich Düngemittel und Saatgut. Diese und weitere wichtige Umsetzungsschritte hin zu einem nachhaltigen Ernährungssystem erfordern globale Zusammenarbeit. Wenn Bäuerliche Betriebe, Handelsunternehmen, Regierungen, NGOs und Verbraucher:innen effektiv, fair und nachhaltig zusammenarbeiten, können so hohe Zölle und Subventionen, die gerade die Landwirt:innen benachteiligen, verhindert werden Internationale Abkommen und Initiativen, wie die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung, bieten einen Rahmen für diese Zusammenarbeit.
Planetare Grenzen
Planetare Belastungsgrenzen (oder auf Englisch "Planetary Boundaries") beschreiben, wie weit wir die Umwelt belasten können, ohne dass das globale Ökosystem Schaden nimmt. Es gibt neun solcher Grenzen, wie z. B. Klimawandel, Verlust von Biodiversität und die Nutzung von Süßwasser. Hinzu kommen die Versauerung der Ozeane, die Kreisläufe von Nährstoffen wie Stickstoff und Phosphor, Veränderungen der Landnutzung, die Feinstoffbelastung der Luft, chemische Verschmutzung sowie der Abbau der Ozonschicht. Wenn wir diese Grenzen überschreiten, riskieren wir, die Stabilität unseres Planeten dauerhaft zu gefährden und damit auch unsere eigene Lebensgrundlage. Das Konzept der planetaren Grenzen wurde entwickelt, um die Belastbarkeit der Erde zu bewahren und sicherzustellen, dass menschliche Aktivitäten die Umwelt nicht irreversibel schädigen. Es dient als Leitfaden für nachhaltige Entwicklung und betont die Notwendigkeit, unsere Produktions- und Konsummuster zu überdenken, um die planetaren Grenzen einzuhalten.
Das „Hochzeitstorten-Modell“ von Carl Folke, Johan Rockström und anderen Forscher:innen aus dem Jahr 2016 zeigt auf, dass die Ziele, die der Umwelt und Biosphäre zugeordnet sind, die Grundlage aller Ziele bilden. Ohne Einhaltung der planetaren Grenzen können weder die Ziele aus dem sozialen Bereich noch die wirtschaftlichen Ziele erreicht werden.
Quelle: Azote Images for Stockholm Resilience Centre, Stockholm University CC BY-ND 3.0
Planetary Health Diet
Die Planetary Health Diet strebt eine Balance zwischen der Erhaltung unserer Lebensgrundlagen und der Förderung der menschlichen Gesundheit an. Sie sieht eine Umstellung auf eine überwiegend pflanzenbasierte Ernährung vor. Eine solche Ernährung, die auf Gemüse, Obst, Volkkornprodukten sowie Nüssen und Hülsenfrüchten basiert, trägt zur Prävention von ernährungsbedingten Krankheiten wie Adipositas, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei. Gleichzeitig ist sie ökologisch nachhaltiger. Ein Problem ist, dass viele der empfohlenen Lebensmittel derzeit nicht ausreichend verfügbar sind, um eine Versorgung für alle zu gewährleisten.
Um eine Zerstörung der planetaren Ökosysteme zu verhindern und gleichzeitig eine gesunde und umweltfreundliche Ernährung für 10 Milliarden Menschen zu ermöglichen, müssen sich nicht nur die Konsumgewohnheiten ändern, sondern auch die Landwirtschaft, die Lebensmittelindustrie und der Handel anpassen. Indem die Landwirtschaft auf den Einsatz von gesundheitsgefährdenden Chemikalien oder den Anbau in Monokulturen verzichtet, wird die Qualität der Lebensmittel verbessert. In Europa sollte der Fleischkonsum um 75% gesenkt werden. Außerdem wird ein Ziel von 50% weniger Lebensmittelabfällen angestrebt.
Die Planetary Health Diet kann daher als eine grundlegendeTransformation der Ernährung, verstanden werden, die sicherstellt, dass alle Menschen gesund und nachhaltig leben können. So fördert eine nachhaltige Ernährung das allgemeine Wohlbefinden und die Lebensqualität und schmeckt außerdem sehr gut!
Quelle: KLUG e.V. | Nutrition in the context of Planetary Health | KLUG
Die drei Dimensionen nachhaltiger Ernährung
Auf den ersten Blick scheinen sich Ernährungsfragen vorrangig auf individueller Ebene abzuspielen, wobei häufig gesundheitliche Aspekte wie eine ausgewogene Ernährung im Vordergrund stehen. Doch auch aus einer globalen Nachhaltigkeitsperspektive ist Ernährung von zentraler Bedeutung. Das heutige Ernährungssystem ist untrennbar mit dem globalen Ökosystem, dem Klima und der Biodiversität verbunden, sowohl in seinen Auswirkungen als auch in seinen Abhängigkeiten.
Es ist offensichtlich, dass das Wohlbefinden des Menschen eng mit dem Zustand der Erde und ihrer Ökosysteme verknüpft ist. Der Planet bietet uns die natürlichen Ressourcen und Bedingungen, die für das Leben notwendig sind. Wenn diese Ressourcen übernutzt werden oder ein Ökosystem zerstört wird, hat dies direkte negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen. Nachhaltiges Wirtschaften ist zudem nur auf einem nachhaltigen Planeten möglich.
Wir müssen umdenken: ökologische, soziale und wirtschaftliche Perspektiven sind miteinander verbunden. Nachhaltige Ernährung beschreibt eine Ernährungsweise, die das berücksichtigt und sowohl gesund für den Menschen als auch umweltfreundlich ist. Eine nachhaltige Ernährung umfasst demnach drei Hauptaspekte:
Ökologische Nachhaltigkeit: Dies bedeutet, die natürlichen Ressourcen zu schonen und die Umweltbelastung zu minimieren. Dazu gehört beispielsweise eine Verringerung der Produktion tierischer Produkte, was die Emission von Treibhausgasen und den Verbrauch von Wasser und Land Einfluss verringert, sowie die Förderung von lokalen, saisonalen und biologischen Lebensmitteln. Auch Bodengesundheit und –fruchtbarkeit zu fördern, hilft, die Biodiversität zu schützen und langfristig Böden für Landwirtschaft nutzen zu können. Ein Ansatz, den u.a. die regenerative Landwirtschaft verfolgt.
Soziale Nachhaltigkeit: Eine ausgewogene, nährstoffreiche Ernährung fördert die menschliche Gesundheit. Eine nachhaltige Ernährung muss daher auch sozial gerecht sein, sodass alle Menschen Zugang zu gesunden Lebensmitteln haben, die auf faire und ökologische Weise produziert und gehandelt werden. Fair-Trade-Zertifizierungen und Lieferkettengesetze tragen überdies dazu bei, dass Arbeiter:innen im Globalen Süden gerechte Löhne erhalten und sichere Arbeitsbedingungen vorfinden.
Wirtschaftliche Nachhaltigkeit: Wirtschaftliche Nachhaltigkeit in der Ernährung bedeutet, dass die Lebensmittelproduktion und -verteilung so gestaltet sind, dass sie langfristig finanziell tragfähig und fair für alle Beteiligten sind. Dies schließt die Unterstützung lokaler Landwirt:innen und Produzent:innen ein, um ihnen stabile Einkommen zu sichern und gleichzeitig die lokale Wirtschaft zu stärken. Es bedeutet auch, dass der internationale Handel fair ist und Länder des Globalen Südens Zugang zu Märkten bekommen, ohne durch hohe Zölle oder Subventionen benachteiligt zu werden.
Nachhaltigkeitsziele im Fokus
Das Thema Ernährung ist in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und in mehreren der Sustainable Development Goals (SDGs) verankert. Vorrangig in SDG 2 „Kein Hunger“. In diesem SDG sind diverse Ziele definiert, die genauer auf die Problematik eingehen. Dazu gehören u.a. ein allgemeiner Zugang zu sicheren und nährstoffreichen Lebensmitteln, alle Formen der Mangelernährung zu beenden, die Produktivität und Einkommen von Kleinbauern und -bäuerinnen zu verbessern, eine nachhaltige Lebensmittelproduktion und widerstandsfähige landwirtschaftliche Methoden sowie Investitionen in ländliche Infrastruktur, Agrarforschung, Technologie und Genbanken.
Aber dieses Nachhaltigkeitsziel alleine greift zu kurz, weil nachhaltige Ernährung viele Komponenten hat. Als Querschnittsthema der Agenda 2030 ist es ebenfalls eng verknüpft mit: SDG 1 Keine Armut, SDG 12 nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster, SDG 13 Maßnahmen zum Klimaschutz SDG 14 Leben unter Wasser, SDG 15 Leben an Land sowie SDG 17 – Partnerschaften für die Ziele. Das Ziel einer nachhaltigen Ernährung ist darüber hinaus auch im Transformationsbereich 5 „Nachhaltige Agrar- und Ernährungssysteme“ der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie verankert.
Thema im Spotlight: Lebensmittelverschwendung
Lebensmittelverschwendung ist ein großes Problem, das nicht nur wertvolle Ressourcen verschwendet, sondern auch erhebliche Umweltauswirkungen hat. Jedes Jahr landen in Deutschland rund 11 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll, was etwa 75 Kilogramm pro Person entspricht. Diese Abfälle entstehen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, von der Landwirtschaft über den Handel bis hin zu den privaten Haushalten.
Ursache der Lebensmittelverschwendung ist zum einen die Überproduktion und der Einkauf von zu vielen Lebensmittel-Produkten. Viele Menschen kaufen – aus unterschiedlichsten Gründen - mehr Lebensmittel, als sie im Alltag tatsächlich benötigen. Häufig verderben diese jedoch. Auch haben sowohl Handel als auch Verbraucher:innen hohe kosmetische Anforderungen: Obst und Gemüse, das nicht perfekt aussieht, wird oft nicht gekauft, schneller entsorgt oder gelangt erst gar nicht in den Handel.
Eine Möglichkeit, weniger Lebensmittel zu verlieren, ist auch die richtige Lagerung. Denn eine unzureichende Aufbewahrung führt zu einer kürzeren Haltbarkeit der Lebensmittel. Schließlich sind Mindesthaltbarkeitsdaten auf den Produkten oft sehr früh gesetzt, so dass viele Menschen Lebensmittel entsorgen, die eigentlich – auch nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum - noch genießbar sind.